Comicreview: Chew – Bulle mit Biss: Leichenschmaus

Published by Marco on

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Originaltitel: Chew – Taster’s Choice
Herausgeber:
Cross Cult
Veröffentlicht: 12.2010
Künstler: John Layman, Rob Guillory
Art: Hardcover
Seiten: 128
Sprache: deutsch
Preis: 16,80 €
U-Bahnlesetauglichkeit: Absolut gegeben. Nicht nur wegen des praktischen A5-Formats als Hardcover, sondern auch, weil jeder, wenn auch nur als Sitznachbar, einen Blick in dieses Buch werfen sollte.
Rating:
Fünf von Fün Gourmetsternen und ein Bienchen oben drauf

Die Leseprobe gibt es heute ausnahmsweise mal hier und bestellen müsstet ihr das dann bei Cross Cult.

Tony Chu ist in erster Linie ein Cop, zweitrangig aber auch ein Cibopath. Das bedeutet, er kriegt Visionen von den Dingen, die er isst. Seien es die Pestizide oder den Tag der Ernte bei Obst und Gemüse oder eben die Umstände der Aufzucht oder des Ablebens des Tiers bei Fleisch. Außer rote Beete – die lässt ihn in Ruhe. Praktischerweise funktioniert diese Fähigkeit aber auch bei menschlichen Überresten, nur dass diese ihm dann die Umstände eines Mordes erzählen können.
Als wäre das aber noch nicht genug, lebt Tony Chu in einer Welt, in der die Vogelgrippe mehrere Millionen Opfer forderte, wodurch die FDA, die Food & Drug Administration, zur mächtigsten Insitution der Verbrechensbekämpfung der Welt und der Verkauf und die Zucht von Hühnchen illegal wurde.

Die Vorspeise war gut, bitte jetzt den Zwischengang

Leider kann ich euch nicht noch mehr von der Geschichte verraten, ohne euch zu viel zu verspoilern, aber lasst euch gesagt sein, dass es eine Geschichte voller Verrat, Liebe und Absurditäten ist. Denn Tony Chu ist nicht der einzige Cibopath und sicher auch nicht der einzige mit übernatürlichen Fähigkeiten. Wichtig zu wissen ist aber, solltet ihr kurz vor der Entscheidung stehen, euch das Buch zu holen, dass ihr hier zwar einen sich mit der Lebensmittelindustrie ziemlich kritisch auseinandersetzenden Comic habt, der allerdings auch, ob seiner genialen Ideen und absurder Einfälle, ein richtig gutes Stück Unterhaltung ist. Habt ihr gemerkt, wie ich zwei mal in einem Absatz das Wort “absurd” benutzte? Tatsächlich ist es nämlich genau das Wort, was einfach am Besten passt. Absurd.
Seien es einfach die versteckten Hinterhofrestaurants, in denen heimlich Geflügel serviert wird, die kleinen Exkursionen Tony Chus in den Kannibalismus, das plumpe, aber doch sehr gehobene Auftreten seines Partners Savoy (wobei das Absurde dann doch eher seine übberaschende Eleganz ist) oder einfach eine überraschende Wendung der Geschichte, nachdem man gerade eine andere (verzeiht das Wortspiel) verdaut hat.

Wenn du uns nicht die Story verraten willst (wir glauben dir aber, dass das alles ganz großartig ist), dann wenigstens über die Zeichnungen, quasi den Hauptgang?

Auch, wenn ich den Begriff “absurd” gerade ein wenig überstrapaziere, sind die Panels mindestens genauso herrlich absurd, wie eben die Geschichte selbst. Wie auch sonst würdet ihr es bezeichnen, wenn Tony Chu in einem Panel mit diesem Blick zu sehen ist, der verrät, dass er sich genau in diesem Moment unsterblich verliebt hat, während eine riesige Kotzwelle auf ihn zu zuschwappen scheint?
Dabei muss man aber sagen, dass Rob Guillory es irgendwie, und es ist mir wirklich ein Rätsel wie genau, geschafft hat, den Comic trotz einer wirklich sehr, sehr witzigen Kotzorgie auf höchstem Niveau zuhalten. Das sagt jetzt nämlich wirklich weniger über mein Niveau als Mensch, als über sein Niveau als Zeichner aus. Das mal nebenbei.
Aber es sind auch die nicht so herausragenden Ereignisse, welche die grafische Gestaltung des Comics so angenehm machen – es sind auch einfach die vielen Kleinigkeiten: Die überzogen dargestellten Figuren und ihre Haltungen, die wechselnde Kolorierung, je nach Situation und Empfindung Tony Chus, und natürlich auch das schlichte Zusammenfassen der Vorgeschichte in zwei oder drei einfachen Panels. Das ist etwas, was mir wirklich total positiv aufgefallen ist und extrem gut gefällt, da hier keine Zeit auf langweilige Vorgeschichte verschwendet wird, und der Comic sich quasi selbst durch Tony Chu weiterentwickeln kann.

Die Leseprobe gibt leider nicht viel her, was die Grafiken angeht, also müsst ihr mir an dieser Stelle einfach mal kurz vertrauen, wenn ich sage, dass es mal etwas anderes, als die übertrieben realistischen Comics ist, die einen Anspruch auf die Wirklichkeit erheben, es dabei aber wirklich Spaß macht, sich einfach auch nur die Bilder anzuschauen, okay?

Und zum Nachtisch noch ein Fazit

Kaufen, lesen, geniessen und gutfinden und mir vielleicht später nochmal für den Tipp danken. Das ist das, was ihr jetzt zu tun habt.
Oder länger ausgedrückt: In der Comicszene, eher in der amerikanischen, weniger in der deutschen (anderes, schwieriges Thema), gibt es das Problem, dass es Indiecomics mitunter recht schwer haben. Die Verlage haben weniger Geld für Werbung und Druck, die Leute kennen und mögen vielleicht meist lieber Superheldengeschichten und Indiecomics sind oft so anders, dass der Leser es schwer hat, sich da so richtig hineinzufinden. Oft bleiben da viele Perlen unentdeckt oder werden nie produziert.
Chew allerdings ist so eine Perle. Sie wurde entdeckt, produziert und in Serie veröffentlicht und der erste Sammelband ist nun (auch schon etwas länger) in Deutschland erhältlich.
Ich habe hin und her überlegt, abgewogen und nachgedacht, ich bin tief in mich gegangen und bin zu einem einzigen Schluß gekommen: Es gibt keine Ausrede dafür, dass ihr Chew (natürlich nur, wenn ihr auf Comics steht) nicht gelesen habt oder lesen wollt. Es gibt sie einfach nicht. Der Comic ist nämlich frisch, anders, absurd (ja ja, mein Lieblingswort in dem Zusammenhang), unterhaltsam, mitreissend und alle anderen positiven Wörter, die einem zu Comics so einfallen können.

Wie gesagt: Bitte lesen.

Disclaimer: Das hier liest sich wirklich so, als wolle ich euch den Comic irgendwie andrehen, aber ihr solltet ja wissen, dass ich voll hinter den Dingen stehe, die ich hier so schreibe. Aber ich glaube meine Freunde bei Cross Cult, die mir das hier zuschickten, wären auch nicht sauer, wenn ich ihre Comics verreissen würde/müsste. Oder?

25 Comments

honki · 24. März 2011 at 22:26

Mmmh klingt, äh, absurd. Aber auf diese gute Art. Ich werde ja erst mit Comics so langsam warm, aber ich finds gut das du und rené da immer mal wieder was drüber posten und mir den einstieg etwas leichter machen. werd mir den gerne mal anschauen. Muss jetzt nur noch warten bis sich mein Konto vom letzten Einkauf erholt hat. 😉

update: warum zeigst du eigentlich nicht mal ein paar panele, sodass man etwas mehr von der zeichnung mitbekommt?

Marco · 24. März 2011 at 22:33

@honki: “Immer mal wieder” ist jetzt bei mir aber auch untertrieben *g*
Aber Chew ist zb auch ein sehr guter Einsteigercomic, weil man kein Vorwissen braucht und das alles nicht so verzweigt ist. Einfach kaufen und gutfinden. *g*

Und Panele. Na ja. Normalerweise mach ich das, aber hier hatte ich keine richtige Leseprobe, sondern nur die erste Seite, die da oben auch als Leseprobe verlinkt ist. Wie gesagt spiegelt die den Stil des Comics, der sich so mannigfaltig verändert, aber nicht so richtig gut wieder.
Andere Verlage bieten größere Teile als Leseprobe, wo ich mir dann aber gerne mal einen Teil schnappe und dazu poste. Das ist also grad nur eine Ausnahme. 🙂

Da Na · 24. März 2011 at 22:47

Warum heißt der Post „Keine Comicreview“?
Ich hab das Buch letztens in der Hand gehabt & fand die Zeichnungen echt super. Das Format & Hardcover aber nicht so. Von dem Cibopath-Ding hab ich gar nichts mitbekommen, hab’s aber auch nur angeguckt & nicht reingelesen.
Na ja, jedenfalls hab ich’s erstmal nicht gekauft. Aber wenn es so gut ist, wie du sagst, hol ich es mir bei nächster Gelegenheit. Auf deine Verantwortung *g

Marco · 24. März 2011 at 22:51

@Da Na: Ach der Post hiess (bis eben) so, weil ich den eigentlich anders angelegt hatte. Das hat so beim Schreiben aber nicht so richtig funktioniert. Na ja. *g*

Das Format find ich aber gerade gut, weil es sehr handlich für unterwegs ist. Bei anderen Comics (dazu später mehr) ist das aber leider ziemlich hinderlich. Jedenfalls: Gerne auf meine Verantwortung. Die trage ich da gerne 😀

honki · 24. März 2011 at 23:17

Mmmh, naja ein Foto hätte es ja auch getan ;D

Frauke · 24. März 2011 at 23:20

Schön, dass Du Dich dieses Werkes angenommen hast, Marco (schon mal ins Impressum geschaut? ;))!

Auf dem Blog des Meisters der Subtilität darf ich doch sicher auf unsere Interviews mit Autor und Zeichner hinweisen (wenn Du es schon nicht machst) …?

Wer also ein bisschen hinter die Kulissen gucken und wissen will, was sich die Herrschaften bei dieser Serie so gedacht haben, ist hier bestens bedient:
Interview mit Autor John Layman:
http://www.comicgate.de/Interviews/interview-mit-john-layman.html
Interview mit Zeichner Rob Guillory:
http://www.comicgate.de/Interviews/interview-mit-rob-guillory.html

Wie alle unsere Interviews mit englischsprachigen Gesprächspartnern bieten wir sie im Original und auf Deutsch an.

Marco · 24. März 2011 at 23:25

@honki: Ach du weisst schon… 😉

@Frauke: Au shit… Mind = Blown. 😀
Und weil ich grad ein bisschen mit dieser Realität überfordert bin und ich eure Seite sehr herze, erlaube ich es auch AUSNAHMSWEISE mal, dass hier jemand schamlose Selbstpromotion betreibt. 😉

honki · 25. März 2011 at 0:12

Gerade kam noch ein Kurzreview auf /film, die haben noch die Anregung gebracht das es wohl eine bombige TV-Serie abgeben dürfte im Stile eines Dexters.

Marco · 25. März 2011 at 0:14

@honki: Tatsächlich ist sogar ein Pilot geplant und ziemlich sicher… das könnte echt was werden, weil das total gut verfilmbar ist. Also anständig verfilmbar.

honki · 25. März 2011 at 0:18

@Marco: wollen wir es hoffen. aber bei showtime mache ich mir da eigentlich keine sorgen. auch wenn ich glaube das diese kannibalismus sache sehr kritisch betrachtet wird. auch in deutschland.

Marco · 25. März 2011 at 0:21

@honki: Weisst du noch, wo die sich in TDW mit Gedärmen behangen haben? Oder wo Bill seiner Tuse da in True Blood beim Tun den Hals umdrehte? Da ist doch Kannibalismus nix dagegen 😀

honki · 25. März 2011 at 0:25

@Marco: mmh naja, das sind alles fiktionäre sachen, zombies und vampire existieren ja nicht. kannibale schon. und der begriff des cibopath (musste nochmal hochscrollen und nachschauen) wird sich wohl so schnell nicht etablieren.

Marco · 25. März 2011 at 0:31

@honki: Na aber Köpfe umdrehen und Leichenteile sind schon sehr real *g*
Aber ich weiß schon was du meinst. Vielleicht verharmlosen die das auch (Im Comic ist es ziemlich blutig) und sie lassen ihn “nur” sein Blut trinken. An sich find ich das auch gar nicht sooo schlimm, aber ich hab auch viele Splatter- und Slasherfilme gesehen und bin da sehr abgehärtet *g*

honki · 25. März 2011 at 2:12

@Marco: da hastes geschafft, ich blogg über comics die tv-serien werden und unsere gesprächsgrundlage für ne stunde oder drölf epicness bilden (letzer groschen fiel mit dem wikipedia artikel zum comic). ein herzliches danke an dieser stelle nochmal und hoffen wir mal die verkacken es nicht mit der serie 😉

Marco · 25. März 2011 at 9:49

@honki: Ich hab da irgendwie so ein Pushing-Daisies-Gefühl. Das wird bestimmt auch eine ganz tolle Serie, großartig inszeniert, super Charaktere, irgendwie weird, aber frühzeitig abgesetzt, weil das amerikanische Publikum hauptsächlich aus Idioten besteht. Man könnte es auch Firefly-Gefühl nennen.

honki · 25. März 2011 at 10:16

@Marco: Ja Pushing Daises war toll. Lassen wir uns einfach mal überraschen. 🙂

thomas · 25. März 2011 at 11:25

Die Serie wird sicher super. Was hat Dir Cross Cult denn noch geschickt (ausser Hack/Slash)?

Hoffentlich noch was vom Goon, wenn schon von Indiecomics schreibst. 😀

Marco · 25. März 2011 at 13:31

@honki: TDW hat ja die Tore für so einiges geöffnet 😀

@thomas: Außer Hack/Slash dann nix mehr, aber das ist ja auch.. puh… viel *g*

zwara · 30. März 2011 at 8:52

ganz groß.

Marco · 30. März 2011 at 16:43

@zwara: Du meinst die Review, ne? Danke 😀

Da Na · 6. April 2011 at 12:42

worüber ich schon die ganze Zeit nachdenke: wie spricht man „ Cibopath“ aus?

Marco · 6. April 2011 at 13:51

@Da Na: Ich sprech das in meinem Kopf immer als “Ziebopat” aus. Hätte ich das auf englisch gelesen, hätts wohl “Zeibopäs” (irgendwie so) geheissen.

Da Na · 6. April 2011 at 14:50

ich schwanke zwischen Tschiebopahht & Kibopahht
& lateinische Wörter verenglischen finde ich schrecklich. Es heiß anti, nicht ähnthei! Zur Hölle! (das ist zwar gerade wieder themenabwegig, aber … na ja ; )

Marco · 6. April 2011 at 21:12

@Da Na: Ich glaube Kibo ist sogar noch richtiger als Ziebo, weil die lateinische Sprache, soweit ich das noch weiß, den C-Laut gar nicht kennt. Daher heissts auch richtig Käsar zum Beispiel.

CHEW / TV Series Announcement : misterhonk.de · 25. März 2011 at 2:09

[…] nichts sagen, da ich den Comic noch nicht gelesen habe, wohl aber heute bestellt, vermutlich wegen Marcos schniekem Comic-Review zur ersten deutschen Ausgabe “Leichenschmaus”. Bitte schaut rüber zu ihm und lest was er zu sagen hat. Es brachte mich schließlich dazu das […]

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