Comicreview: “Neonomicon” von Alan Moore und Jacen Burrows

Published by Marco on

Herausgeber: Panini
Veröffentlicht: 22.09.2011
Künstler: Alan Moore und Jacen Burrows
Art: A4 Softcover (beinhaltet The Courtyard 1-2 und Neonomicon 1-4)
Seiten: 160
Sprache: deutsch
Preis: 16,95€
U-Bahnlesetauglichkeit: Oh je nein, auf keinen Fall. Niemals.
Rating:3 von 5 großen Alten haben es gelesen, einer davon aber nicht zu Ende.

Bestellen könnt ihr das entweder direkt bei Panini oder aber, wenn etwas von dem Preis an mich soll, bei Amazon (deutsch, englisch). Die Leseprobe gibt es dann hier.

H.P. Lovecraft gehört in jedem Fall zu den prägensten Autoren unserer Zeit. Seine Werke beeinflussten Filme, Musik, Computer- und Rollenspiele und natürlich auch sehr viele Autoren, die nach Lovecraft kamen und die Welt um die großen Alten weiterentwickeln wollten. Das schöne daran ist nämlich, dass das jeder darf und soll und sich soweit darin austoben darf, wie er möchte.
Wenn sich jetzt aber jemand namens Alan Moore dieser Sache annimmt, dann können wir schonmal davon ausgehen, dass es mindestens sehr eigenartig und eklig werden könnte. Wie eigenartig und eklig genau, könnt ihr in folgender Review nachlesen. Das aber schonmal vorab: Es kommt sehr viel Sex darin vor. Auch sehr viel Sex mit schleimigen, fischigen Monstern.

Ich will gar nichts von der Story wissen, erzähl mir von dem Fischmonstersex!

Nun mal nicht so schnell. Der Fischmonstersex ist zwar tatsächlich ein elementarer Bestandteil der Geschichte, allerdings zeichnet sie sich auch noch durch andere merkmale aus. Was wir hier nämlich haben ist weniger eine Geschichte aus dem Cthulhu-Universum, sondern mehr eine Metageschichte dessen. Teilen kann man sie logisch in zwei Bereiche. Der erste Teil heisst “The Courtyard” und handelt von dem FBI-Agenten Aldo Sax, der eine Reihe von identischen, aber nicht zusammenhängenden Morden untersucht. Er wurde dazu abberufen, weil er Zusammenhänge erkennt, die anderen normalerweise verborgen bleiben. Bei seinen Ermittlungen stößt er auf eine mysteriöse Droge, die in der Rock-Szene herumgeht und driftet ab in einen Strudel aus Wahnsinn, Muskik und später auch außerordentlicher Gewalt.

Der zweite Teil heisst dann wirklich “Neonomicon” und begleitet zwei weitere FBI-Agenten, die den Fall des Aldo Sax untersuchen. Sie folgen seinen Spuren, er selbst sitzt mittlerweile Dank mehrerer Morde in einer Nervenheilanstalt, und geraten in einen ganz ähnlichen Strudel. Nur, dass sie eben andere Möglichkeiten haben und schnell einem geheimen Kult auf die Schliche kommen. Kult ist hier vielleicht übertrieben, handelt es sich doch augenscheinlich eher um einen lockeren Swinger-Club.

Und alle Teile, also die ganze Geschichte, gehen davon aus, dass der Cthulhu-Mythos eben nur ein Mythos ist, der sich in der Popkultur als Quelle für Bücher, Spiele und Filme niedergeschlagen hat. Es wird aber schnell erkannt, dass an dem Mythos eben doch viel mehr dran ist.

Funfact zur Leseprobe: Die Seiten haben alle dieses Format, was die Darstellung hier ein bisschen schwierig macht. Also bitte mal direkt da durchklicken.

Fischmonstersex! Wann kommt der Fischmonstersex!

Und genau an dieser Stelle wird die Geschichte ein bisschen schwierig zu verarbeiten. Während die beiden Agenten, natürlich ein Mann und eine Frau, diesen Swinger-Club, getarnt als Pärchen, infiltrieren, fliegt natürlich ihre Tarnung auf (weil der Typ ein bisschen dämlich ist). Er wird kurzerhand umgebracht und die Frau, na ja, mehr oder weniger, eher mehr, vergewaltigt. Das ist aber nur der Anfang, denn diese sexuellen Handlungen in diesem Schwimmbad sollen eigentlich ein cthulhuesqes Fischmonster anlocken, mit dem sie sich paaren soll. Also “paaren” hier auch im Sinne von unfreiwillig. Das ist alles wirklich ganz schön krass und sehr explizit gezeichnet, hat aber tatsächlich auch seine Schmunzler, so makaber es klingen mag.

Vergewaltigungen? Kann man das gutheissen?

Es ist krass, extrem und mitunter auch furchtbar, für die Geschichte ist es aber tatsächlich sinnvoll und relevant, zumal das ganze auch sehr rituellen Charakter hat. Das erschliesst sich dann später auch erst auf dem letzten Seiten, als sie voll in der Rolle der Mutter dieses Wesens, das in ihrem Leib heranwächst, aufgeht. Und tatsächlich ist dieser Twist am Ende wirklich sehr gut und auch sehr gut umgesetzt und eine unglaublich clevere Idee, wodurch diese Geschichten hier das Cthulhu-Universum ganz toll bereichern. Am Ende aber hat man doch auch nicht nur eine tolle Geschichte gelesen, sondern auch eine Massenvergewaltigung und das finde ich persönlich ein bisschen schwierig.

Und die Zeichnungen? Muss man sich Sorgen machen?

Ich las das Buch, als ich gerade im Flieger von Frankreich nach Deutschland saß. Natürlich saß ich auf so einer Dreierbank in der Mitte und neben mir eine Frau, die in einem Kinderbuch blätterte. Normalerweise habe ich da keine Scheu sowas zu lesen und packe ein Buch höchstens mal weg, wenn die Darstellungen zu Gewalt zeigen und neben mir gerade ein Kind sitzt, dass das ja nun eben nicht unbedingt sehen muss. Spätestens aber bei der Stelle, an dem man ungewöhnlich viele Fischmonsterpenisse (einen) sieht, sollte man überlegen, ob man diesen Comic nicht doch einen Moment weglegen sollte. Vielleicht auch erst an der Stelle, an der die Frau dem Fischmonster einen runterholt, weil sie von dem ganzen Sex schon wund ist. Das kommt ja auch immer darauf an, wie verstört die Person sein könnte, die neben einem sitzt.
Trotzdem sind die Zeichnungen, vor allem auch die Drogentrips und die vielen anderen surrealen Teile, sehr schön gezeichnet. Bei Personen schwächelt Burrows ein bisschen, aber im Großen und Ganzen ist das schon alles sehr schön und beeindruckend.

Fazit: Ich würde diesen Comic auf jeden Fall Hardcore-Cthulhu-Fans empfehlen, weil man hier eine wirklich sehr gute Geschichte mit tollem Ende und vielen Anspielungen auf den Mythos hat. Aber auch andere können hier gern einen Blick hineinwerfen, wenn einen halt der ganze Sexkram nicht allzu sehr abschreckt.

Disclaimer: Vielen Dank an Panini für dieses Erlebnis.

7 Comments

Celina · 10. November 2011 at 18:27

Toll, heut Mittag schrieb ich noch, dass ich Geld sparen könnte, weil keine Comics in Aussicht sind und ich noch 3 Stück hab… und jetzt kommst du hiermit! *Auf Wunschliste setz*

Jojo · 10. November 2011 at 21:28

Hi,
ist ja richtig toll, wenn ich mal einen Comic schon kenne, den Du besprichst – und meine Meinung dazu 1:1 im Review wiederfinde. Sauber, ich mag Harmonie.
Ein kleiner Hinweis: das “cthulhuesqe Fischmonster” hat eigentlich nix mit Cthulhu zu tun, sondern eher mit Dagon, dem Gott der Einwohner von Innsmouth. Dessen Nachkommen, die er mit seinen menschlichen Verehrerinnen zeugt, haben ein fisch-/froschartiges Aussehen. Nachzulesen in “Der Schatten über Innsmouth”.

Wenn es um Comics aus dem Lovecraftschen Mythenkreis geht, kann ich Dir noch “XOTH! – Die unaussprechliche Stadt” ans Herz legen, da sieht man, daß Geschichten über Tentakelmonster nicht immer bierernst sein müssen.

Marco · 10. November 2011 at 22:34

@Celina: Ich empfinde da leider nur wenig Mitleid, weil gute Comics einfach gelesen werden müssen. *gg* Aber es gibt noch viel mehr gutes Zeug, ich bespreche hier ja nur einen Bruchteil… 😀

@Jojo: Yay, endlich! Vor allem freut mich, dass du meine Meinung teilst *g*
Wegen des cthulhuesqen Fischmonsters. Ja, klar, auch wegen des Endes des Bands. 😉
Aber hier ging es mir vor allem um das aussehen. Es ist halt so ein Fischmonster, sehr archaisch und aus dem Meer, das kann man gut mit dem Wort “cthulhuesqe” beschreiben, hat mit dem Tentakelmann aber natürlich nix zu tun. 🙂
XOTH! sagt mir aber sogar noch was vom Namen her. Wenn du aber auf sowas stehst, guck dir mal Witchdoctor an. Das ist eine 4 (oder 5) teilige Serie, die gerade fertig wurde und auch in einer sehr ähnlichen Welt spielt. Ich werde das aber auf jeden Fall nochmal besprechen. 🙂

Jojo · 11. November 2011 at 10:10

Ob ich auf sowas stehe? Unter anderem – das ist ja das Schlimme. Ich stehe eigentlich auf alle Arten von Comics! Naja, phantastische Inhalte werden schon ein bißchen bevorzugt, aber das ist bei Comics auch einfach. Nur das ganze Superheldengedöns ist nicht so ganz mein Ding, aber komischerweise habe ich damit trotzdem ein paar Regalbretter gefüllt.
Meinst Du diesen Witchdoctor: http://www.witchdoctorcomic.com/ ?

Marco · 11. November 2011 at 17:56

@Jojo: Genau der Witchdoktor ist das. Das gibt es bestimmt auch bald als Sammelband, da kann man echt mal zugreifen. 🙂

Jonas · 17. April 2012 at 15:50

@Jojo: Allerdings ist Dagon bloß ein sehr, sehr altes tiefes Wesen, das selber Cthulhu anbetet (ebenso wie Mutter Hydra). Dementsprechend haben sie mit Cthulhu zu tun, nebst der Tatsache, dass der Mythos allgemein als Cthulhu-Mythos bezeichnet wird. Obwohl Yog-Sothoth oder Azatoth eigentlich größere Rollen spielen als Cthulhu selbst.

Marco · 19. April 2012 at 21:07

@Jonas: Ach, diese Haare müssen wir nicht spalten 😀

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