Comicreview: A God Somewhere

Published by Marco on

Herausgeber: Panini
Veröffentlicht: 13.02.2012
Künstler:  John Arcudi, Peter Snejbjerg
Art: Softcover (enthält die komplette Geschichte)
Seiten: 204
Sprache: deutsch
Preis: 24,95 €
U-Bahnlesetauglichkeit: Ich kenne keine U-Bahn, in der man problemlos vor Entsetzen die Hände vor den Mund schlagen kann
Rating: Furchtbar und furchtbar gut.

Kaufbar bei Amazon (Partnerlink) oder direkt bei Panini mit Leseprobe hier.

Stellt euch vor ihr hättet aufgrund einer mysteriösen Katastrophe, die niemand zu erklären vermag, unglaubliche, nahezu gottgleiche Kräfte. Was würdet ihr tun? Würdet ihr Gutes tun, weil ihr nun die Macht habt Menschen zu helfen? Würdet ihr Schlechtes tun, weil ihr es einfach könnt? Wie würdet ihr werden, wenn ihr glaubt, dass für euch die moralischen Wertvorstellungen der Menschen nicht mehr gelten? Zu was würdet ihr werden?
Dies ist die Geschichte eines Mannes, dem genau das widerfuhr und der sich genau diese Fragen stellte, erzählt aus der Sicht seines besten Freundes. Wie dieser uralte Ansatz einer Geschichte eines Menschen, der auf einmal übernatürliche Kräfte bestitzt, funktioniert, warum es auf seine Art völlig neu ist und warum es unbedingt eines Blickes gewürdigt werden sollte, könnt ihr in folgender Review nachlesen.

Bitte etwas genauer, worum es eigentlich geht

Die Geschichte folgt ziemlich genau vier Personen, wobei eine im Mittelpunkt steht. Es geht um die Brüder Eric und Hugh Forster, deren besten Freund Sam Knowles und um Hughs Ehefrau Alma, in die eigentlich alle ein bisschen verknallt sind. Eigentlich sind sie eine illustre Truppe, haben Spaß, entfernen sich aber auch auf ganz natürliche Weise voneinander. Während nämlich Hugh und seine Frau langsam ein Familienleben entwickeln, gammeln Sam und Eic ein bisschen vor sich hin. Eric fand dabei zu Gott, Sam versuchte es auf der Uni, scheiterte aber. Soweit ist das eigentlich eine langweilige Geschichte, wie sie das Leben täglich schreibt.
Bis es plötzlich, nachdem die vier einen ihrer seltenen gemeinsamen Abende genossen, eine furchtbare Explosion die Stadt erschütterte. Das Zentrum der Explosion – Erics Wohnung. Es herrscht pures Chaos in der Umgebung, Leichenteile schmücken die Straßen, Panik, Geschrei, doch wie durch ein Wunder ist Eric unverletzt. Die Krankenhäuser sind überfordert und kaum wurde bei Eric festgestellt, dass er nur etwas Fieber hat, das aber auch schnell wieder abklingt, flüchtet dieser auch schon, um beim Ort der Katastrophe aufzuräumen und einige Menschen zu retten. Er ist ein Held und als dieser begeht er noch einige weitere Heldentaten, die vermutlich blutiger ausfallen, als es gewünscht wäre. Natürlich ist er kein normaler Mensch mehr, er ist zu viel mehr geworden, denn plötzlich kann er fliegen, ist nahezu unverwundbar und kann mittels seiner Gedanken seine Umgebung auf brachiale Weise schlagartig vor sich herschieben.
Doch plötzlich wandelt sich sein so gutmütiges Wesen in etwas ganz anderes.  Er erkennt nämlich nach einem Gespräch mit seinem Bruder, dass die Menschen sich vor ihm fürchten und er stellt sich die Frage, warum er menschlich sein muss, wenn er doch schon viel mehr ist. Da geschieht das Unfassbare…

WAS?! WAS GESCHIEHT??

(Spoileranfang!)

Er vergewaltigt seine Schwägerin und schlägt seinen Bruder zum Krüppel. Natürlich lässt er sich festnehmen, das aber auch nur, um mit seinem Freund Sam zu reden, um dann kurz darauf auf möglichst gewalttätige Weise zu flüchten, wo er noch ein paar Soldaten töten und Panzer durch die Gegend wirft. Es passiert noch viel mehr, noch ein gutes Stück Schrecklicheres, dass ich aber nicht spoilern möchte. Seit euch aber gewiss, dass das alles kein leichter Stoff ist und es einen sehr zum Nachdenken anregt. Es ist furchtbar, in dieser Furchtbarkeit aber auch unglaublich faszinierernd. Wie eine imaginäre Menschenstudie der schlimmsten Art.

(Spoilerende!)

Und… wie funktioniert das alles?

Beim Lesen hat man die ganze Zeit ein bisschen das Bild Supermans im Hinterkopf, sind die Ausgangsbedingungen doch ziemlich ähnlich. Beide sind Wesen mit übermenschlichen Kräften, die mit einem Fingerschnipp ein unglaubliches Chaos losreissen könnten. Während Superman allerdings zwei fürsorgliche Eltern hatte, die ihm beibrachten mit seinen Kräften verantwortungsvoll umzugehen und das Leben zu schätzen, wird Eric von seinen Fähigkeiten und die an ihn gestellten Forderungen der Öffentlichkeit schier überrumpelt, dreht durch und entwickelt einen Gottkomplex sondergleichen. Er hält sich für der Menschheit überlegen und das Leben selbst ist in seinen Augen nicht viel wert – zumindest nicht das Leben von Menschen. Er beteuert dabei allerdings ständig nur in Ruhe gelassen zu werden, hinterlässt dort, wo er auftaucht, allerdings nichts als Tod und Zerstörung. Das alles führt sogar so weit, dass die USofA ein Gesetz verarbschieden, dass es ihnen ermöglicht, einer einzelnen Person den Krieg erklären zu können.

Das alles wird aber nicht aus der Sicht Erics erzählt, sondern aus der seines besten Freundes Sam, der etwas mehr als schlichte Verknalltheit für Alma empfindet und auch stets versucht zu ergründen, wie Eric so werden konnte, wie er wurde. Vermutlich ist das auch eine der besonderen Besonderheiten dieses Comics, nämlich dass Eric, trotz seiner Taten weniger die Hauptfigur, als eher der Plot ist, während wir tief in Sams Gedankenwelt eintauchen könnten und mitunter genauso ratlos dastehen, wie er.

Selbst am Ende des Comics, wenn Eric versucht seine Taten zu rechtfertige oder irgendwie zuerklären, macht das im ersten Moment irgendwie Sinn. Denkt man aber einen kleinen Moment darüber nach, erkennt man, dass man gar nichts verstanden hat. Das heisst nicht, dass der Comic irgendwie unlogisch ist – absolut nicht – man versteht nur einfach nicht. Vielleicht würde man es verstehen, man tut es aber nicht und das ist großartig.

Die Zeichnungen? Können die bei der Story mithalten?

Absolut. Die Zeichnungen selbst sind recht düster, schön schattiert und bedrückend, manchmal sogar ein bisschen schlicht, während die Geischtsausdrücke aber unglaublich gut getroffen sind, mitunter nur noch mehr verwirren, die Geschichte aber auch wunderbar unterstützen. Ob dieser Schlichtheit in den Zeichnungen stechen die brutalen Splatterszenen auf ganz unbequeme Weise hervor und man muss zusehen, wie man mit diesem Unbehagen klar kommt, wird man damit doch ziemlich allein gelassen. Ich rede hier nicht von Blutfützen und dergleichen, ich rede von wirklich zerfetzten Körpern, sterbenden Kindern, gebrochenen Knochen. Realismus im Abstrakten.

Fazit: Dieser Comic ist furchtbar. Er verfolgt dich, regt dich zum Nachdenken an und selbst, wenn mich jemand vorgewarnt hätte, hätte er mich eiskalt erwischt. Sicher erwartet man hier und auch nach dem, was man im Einband liest, einen Comic, der nur eine weitere Geschichte eines normalen Menschen ist, der auf einmal Superkräfte und damit ganz viel Spaß hat. Aber täuscht euch nicht. Mike Mignola hat nämlich ganz recht, wenn er sagt, dass dies wohl die menschlichste Geschichte eines Superhelden ist, die er je gesehen hat. Weil Menschen furchtbar sind.


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