Comicreview: “Kingdom Come” von Mark Waid und Alex Ross
Herausgeber: Panini
Veröffentlicht: 19.11.2013
Künstler: Mark Waid, Alex Ross
Art: Softcover / Hardcover (enthält komplett “Kingdom Come” #1-4, den zusätzlichen Epilog, unglaublich viel Zusatzmaterial)
Seiten: 332
Sprache: deutsch
Preis: 29,99 € (SC), 49,00 € (HC)
U-Bahnlesetauglichkeit: Es ist leider zu schwer und keine Strecke kann dafür lang genug sein.
Rating: Die Menschheit würde jubeln, wenn…
Erhältlich bei Amazon (Partnerlink) als Softcover bzw Hardcover oder direkt bei Panini als Softcover oder Hardcover leider ohne Leseprobe (boah, warum?).
In Paninis momentanen Trend Comicklassiker neu zu veröffentlichen sind sie dieses Mal an ein wirklich großes Werk geraten. “Kingdom Come”, eine der bekanntesten Elseworld-Stories von DC, wurde bereits 1996 veröffentlicht, gewann einen Haufen Preise, darunter auch den Eisner Award für die beste limitierte Serie, und zeichnet eine Welt voller Superhelden, in der sich die bekannteren (wie Superman, Wonder Woman, Green Lantern, Flash und Batman) zurückzogen und ihren Kindern und anderen Nachkommen die Geschicke der Welt überliessen. Diese besitzen allerdings nicht die selbstauferlegten Beschränkungen, wie die alten Helden, und werden von der normalen Bevölkerung gehasst und gefürchtet, während sie sich rücksichtslos gegenseitig bekämpfen und dabei zivile Opfer komplett ignorieren. In seinem Streben Ordnung zuschaffen, führt Superman die Welt allerdings an den Rand der Vernichtung. Wie das geschehen kann, warum sich die Helden überhaupt erst zurückzogen und warum dies ein Comic ist, der einen ein bisschen sprachlos zurücklässt, erfahrt ihr in folgender Review.
Wie konnte es überhaupt erst dazu kommen?
Der Joker war wieder unterwegs und es war ein Rennen gegen die Zeit ihn zu schnappen. Statt allerdings Superman schnappte ihn zuerst ein Held in goldener Rüstung namens Magog, der nicht lange fackelte und ihn erschoss. Zwar wurde dadurch einer der gefährlichsten Psychopathen der Welt unschädlich gemacht, der nachfolgende Gerichtsprozess sprach Magog allerdings von jeglicher Schuld frei. Superman, der das nicht akzeptieren konnte, beschloss daraufhin sich aus der Welt zurückzuziehen, um anderen Helden die Rettung der Welt zu überlassen. Ihm folgten Wonder Woman, die laut der anderen Amazonen versagte Frieden zu stiften und ihr Erbrecht verlor, Green Lantern (Alan Scott), der sich eine Raumstation baute, um von dort aus die Erde vor außerirdischen Gefahren zu schützen, Flash, der viel zu schnell wurde, um auch nur kurz mal still zu stehen, und natürlich Batman, der irgendwann zu alt und geschunden wurde, um Gotham persönlich zu schützen und diese Aufgabe an seine Roboter weiterreichte, was Gotham zu einem Polizeistaat machte.
Während Superman in einer Simulation in der Festung der Einsamkeit Farmland bestellt, kämpfen Magog und andere Helden gegen einen Schurken, der sich bereits ergeben hatte. In einem letzten Aufbäumen schafft er es Captain Atom so schwer zu verletzen, dass er explodiert und Kansas samt Teilen einiger angrenzender Staaten in radioaktiv verstrahltes Wasteland verwandelt.
Wonder Woman bittet nun den bärtigen Superman in Latzhose und mit langen Haaren in die Welt zurückzukehren, um ihr und den Helden darin den richtigen Weg zu weisen. Eben dass der Schutz der Menschen vor allem anderen steht und die Metawesen in ihren Taten umsichtiger werden müssen.
Das klingt ja recht einfach, schließlich ist es doch Superman!
Leider ist es alles andere als einfach, gibt es mittlerweile doch so viele Superwesen auf der Welt, dass diese sich in Gruppen zusammenschliessen, um gegen Supermans Vorgehen zu agieren. So bleibt nur eine einzige Möglichkeit: Ein Meta-Wesen-Gefängnis auf den verstrahlten Überresten von Kansas. Wer sich Superman nicht anschliesst, wird eingesperrt und wer sich verstecken kann, schließt sich der Menschlichen Befreiungsfront, angeführt von Lex Luthor an, um die Menschen von allen Superwesen zu befreien und insgeheim auch die Macht an sich zu reissen. So zum Beispiel auch Batman, der Supermans Ziele nicht komplett teilen kann.
Natürlich geht alles furchtbar schief, wenn man unzählige Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten auf engem Raum einsperrt und natürlich muss Superman auch noch auf Magog treffen, um die Unstimmigkeiten zu klären. Das ist aber nur am Rande wichtig, denn hier passieren noch so viele Dinge mehr, die eine Zerstörung der Welt zur Folge haben, so viele schwierige philosphische Fragen müssen geklärt werden, dass ich an dieser Stelle mit der Inhaltsangabe aufhören muss, um euch das alles nicht vorwegzunehmen.
Das klingt ja jetzt ein bisschen nach höherer Standard-Kost. Bitte Gründe, warum das so gut ist.
Die beiden offensichtlichsten Gründe sind natürlich Mark Waid und Alex Ross. Letzterer ist der Hauptideengeber der Serie und übertrifft sich hier einfach maßlos, während Mark Waid das ganze rund machte und ihn mit seinem Wissen über das DC-Universe versorgte. Allein deswegen hat man hier das Gefühl, dass das wirklich eine äußerst passende und absolut mögliche Zukunftsversion des DC’Verse sein könnte. Manche Helden bekamen Kinder miteinander, andere Helden entwickelten sich weiter, viele wurden älter, andere starben. Das fügt sich alles einwandfrei und total sinnvoll zusammen (sofern man natürlich das New52’Verse ignoriert). Herausragend ist aber natürlich das Artwork von Alex Ross. Wer bereits Werke von Alex Ross kennt, wird beim Gedanken an einen Comic voll davon vermutlich anfangen zu geifern. Das auch völlig zu Recht, denn dieser Fotorealismus ist einfach großartig und wunderschön. Manchmal ist es ein bisschen schwierig, vor allem, wenn in den Panels total viel los ist, allerdings sorgt das ja auch nur dafür, dass man ein paar Minuten länger auf einer Seite verweilt. Gerade, wenn mehrere Figuren zu sehen sind und man erraten möchte, wer hier nun wer ist.
Aber dafür gibt es ja das unglaublich umfangreiche Bonusmaterial, das gut ein Drittel des Bandes ausmacht. Darunter befindet sich zum Beispiel ein Transkript, in dem jedes Panel erklärt wird und auch ein paar sehr nette Eastereggs verrät. Zum Glück, man würde sonst so unglaublich viel verpassen. Darüber hinaus gibt es auch noch einen riesigen Stapel an Entwurfsskizzen, umfrangreich kommentiert, zusätzliche Artworks von Alex Ross und eben auch einen ganz besonderen Epilog, der die Geschichte nochmal ein Stück weiter abschliesst.
Aber das wirklich besondere an dem Comic und das, was ihn erst wirklich richtig gut macht, ist die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird. Statt aus Supermans Sicht nämlich, verfolgen wir hier den Spectre, quasi Gottes Rachegeist, und einen zweifelnden Priester namens Norman McCay, der vom Spectre Omnipräsenz bekommt und alle Geschehnisse beobachten kann. Am Ende soll er darüber richten, wer Schuld an der Katastrophe ist, versteht die ganze Geschichte anfangs aber genauso wenig wie wir. Durch die Beobachterfigur haben wir nämlich die Möglichkeit, die Geschichte auf eine ganz andere, viel nüchternere Weise zu betrachten, was eine ziemlich interessante Art der Erzählung ist.
Also…
Kein Also. Dieser Comic ist einfach unglaublich gut. Als Leser ist man am Ende ein bisschen zerstört, sieht man doch eigentlich, wie alles ausgeht, kann es aber nicht so richtig greifen und weiß jetzt nicht, ob das gut oder schlecht ist. Vielleicht beides, vermutlich gar nichts von beidem. Genau so müssen Comics aber von Zeit zu Zeit sein. Sicherlich sind die Parallelen zu “Watchmen” recht offensichtlich, allerdings ist es auch mal äußerst spannend in einer ähnlichen (aber doch völlig anderen) Geschichte wesentlich bekanntere Gesichter zu sehen. Und weil das auch noch so unglaublich schön gezeichnet, und dabei so unglaublich durchdacht, ist, macht das hier auf ganz andere Weise Spaß. Also ‘Spaß’, wenn ihr versteht. Vermutlich nicht, aber lest mal den Comic, dann wisst ihr schon Bescheid. Bitte, lest den mal. Bitte.
3 Comments
Martin · 21. November 2013 at 17:28
Na dann mal los zum Händler meines Vertrauens…
Marco · 6. Dezember 2013 at 16:12
@Martin: Auf jeden Fall, du wirst es nicht bereuen 🙂
Herr Friedersdorf (@Fadenaffe) · 21. November 2013 at 16:49
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